Forsskål, Peter BREV TIL: von Gähler, Peter Elias FRA: Forsskål, Peter (1762-07-22)

30. Forsskål til von Gähler 22. Juli 1762.
Cairo d. 22 Jul. 1762.

Hochgebohrner Herr Envoyé.

So erfreulich die gnädigen Zuschriften von Ew. Hochgeb. uns jederzeit gewesen, so sehr haben die letzten Befehle von d. 8. Maj und 9. Juni uns, mich wenigstens, von der grössten Hoffnung in die grösste Unruhe versenckt. Wir wissen und erkennen es mit der verehrungsvollesten Danckbarkeit, dass Ew. Hochgeb. uns mehr glückliche und mehr gesegnete Reise gönneten. Und die Trostgründe die Ew. Hochgeb. uns ins besondere gegeben, kommen ohne Zweifel von derselben Quelle her, von der Gnade Ew. Hochgebohrnen, die uns doch einige Hoffnung lassen will, da keine Errettung möglich ist. Wir sind aber unglücklich genung unsere Umstände gar zu sehr zu kennen. Welche Absichten auch der Philologus an Ew. Hochgeb. geäussert haben mag, werden sie niemahls solche sein, dass sie ohne unserer andern Erhaltung nicht erreichet werden könten ; und sein Zutrauen zu dem Medico war sehr natürlich, da diese beyde in Constantinopel gleichsam nur eine Seele und eine Denckungsart hatten. Er hat wohl aus dieser seiner Einfalt und einmahl erhaltenen blinden Vertrauen gehofft, dass er ihn an alle seine Absichten Theil zu nehmen leiten konte, und es steht dahin, ob ihm dieses nicht möglich s. 147gewesen wäre, falls der Medicus, wie wir hier von ihm erfahren, nicht in den letzten Tagen in Constantinople wäre aus Koppenhagen von seinen Freunden gewarnet worden, jenem nicht zuviel zu trauen. Überdem hatte er die Packen von dem Apotheker in seiner Gegenwart erhalten. Und diese Mittel selbst sind wahrlich seinen Drohungen, und seinem Hertze ähnlich.

Ach! der Hof wird in der That noch nicht weder seine Studien, noch seine Sitten kennen. Ew. Hochgeb. wissen, ob er zu Constantinople hat Arabisch sprechen, oder die es sprachen, verstehen können, und was er also in der Sprache zum voraus hatte. Ich weis auch nicht ob man uns andern zuvielgethan, wenn man uns auch so viel Einsicht und so viel Liebe an der Literature zugetrauen hätte, wie ihm, und wenn mann deswegen geglaubt hätte, dass durch die Absonderung eines an sich so commoden Menschen, nicht viel wäre verloren gewesen bey unsern Nachforschungen? Sonsten wenn er genung gekant wäre, müssten wir uns vorstellen, dass man um die Schande eines gottlosen Landeskindes zu verbergen, die redlichsten Leute dem unwürdigsten von allen Gefahren ausgeopfert und blossgestellet hat. Wir können aber unmöglich so wenig Mitleyden von der allergnädigsten Regierung erwarten.

Ew. Hochgebohrnen verbieten uns noch dem bekanten Manne nichts davon zu sagen, dass wir von seinen grausamen Anstalten wissen. Was kan uns unglücklichen schwerer vorgeschrieben werden? Müssen wir denn mit täglicher Unruhe den Fall selbsten erwarten, und alsdenn noch uns des betrübten Nothwers bedienen, das uns alleine übrig gelassen ist? Wäre es nicht tausendmahl besser um alle weitere Schande und Unglück vorzubeugen den eintzigen Weg zur einiger Sicherheit zu suchen, ihm wissen zu lassen, dass man sich gegen alles gefasst gemacht, und dass ein so gottloses Unternehmen ihm selbst ein gewisses und baldiges Unglück bringen soll?

Was seine unzeitige préference Streit anbetrifft, können Ew. Hochgeb. gewiss versichert sein, und es von jewedem unter uns erfahren, dass, da der König uns alle ausdrücklich für vollkommen gleich auf der Reise erklärt hat, auch unter uns vier übrigen kein eintziger seye, der eine gewisse Stelle über dem andern behauptet oder observiret, und dass dieses übersitzen eine wahre Kleinigkeit wäre dem philologo einzuräumen, wenn er welche besondere Verdienste besässe, und wenn er nicht so wohl in als ausser der Gesellschaft immer ein eigenmächtigen director vorstellen wolte, s. 148auch gegen die klare Verordnung des Königes den Vorzug als ein Recht und so gar mit Trotzbieten gefordert hätte. Er kan sich aber gar nicht beklagen, dass er nicht wenigstens oft das eitle Vergnügen von dem obenan sitzen gehabt. Denn das haben wir immer auf den Zufall ankommen lassen, wo er oder wir andern als alle gleich zu stehen und zu sitzen gekommen.

Es ist gewiss, wie Ew. Hochgeb. schreiben, dass man doch auch mit Feinden eine verstellte Freundschaft wenigstens, unterhalten kann. Allein Ew. Hochgeb. sehen auch gar zu wohl, dass dieses schwerer wird bei täglichem Umgange mit einer Person, der immer in die Rechte der Gesellschaft Eingriffe machen will ; und dass es noch gar unmöglich wird, wenn seine Aufführung und Begegnung so grob so ehrenrührig wird, dass es, dieselbe noch mehr als einmahl ohngestraft zu vergeben, eine unauslöschliche Schande seye. Da er gegen mich, wie wir alle vorher einberichtet haben ohne geringste Anleitung die so niederträchtigen Schimpfwörter herausstiess, und so gar in Zusehen einiger hiesiger Francken das Glass die bouteille und den Wasserkrug ergriff um nach mir zu werfen, habe ich so wohl in Ansehung der Befehlen von Ew. Hochgeb. als um die Schande der Gesellschaft nicht zu vermehren, und in der fehlgeschlagenen Hoffnung von ihm bald erlöset zu werden, mich noch zum zweiten mahl von der Wiederbegegnung enthalten, die ein zwar rudes, doch allgemeines, decorum bey der gleichen Fällen fast nothwendig macht. Ich habe aber von der Zeit an gar nichts mit ihm gesprochen, und er hat mir noch diese moderation, da ich ihm eben so wenig böses als gutes gesagt, noch mit andern Schiltwörtern einmahl geprüft. Ich machte aber von neuen Gewalt auf mich selbst, und denckte, die Geduld von noch einer kurtzen Zeit würde mir eine beständige Ruhe für diesen ungesitteten Menschen verschaffen. Da aber nicht ein so glücklicher Ausschlag erfolgt ist, so hätte ich sehr gewünschet, dass biss auf weitere satisfaction, er in Ew. Hochgeb. gemeinschaftlichen Schreiben einen so strengen Verweis deswegen bekommen hätte, als seine Aufführung verdienet. Darf ich mir noch diese Gnade in dem nächsten Schreiben Ew. Hochgebohrnen ausbitten, so würde es vielleicht noch einen Nachdruck haben seine zügellose Zunge künftig etwas einzuhalten. Würden aber Ew. Hochgeb. auch ermüdet sein, wie ich mich gar nicht darüber verwundern könte, sich mehr mit diesen fatalen Streitigkeiten abzugeben, so bitte ich noch unterthänig mir nicht übel zu deuten, dass ich, wenn wir mehr von Zuschauern abgesondert sind, mir s. 149selber durch eine seiner Aufführung gemässe Ahndung einige satisfaction und künftige Friede suche, und die Schande vorbeuge, dass er mir in Coppenhagen soll nachsagen können, dass er gegen mich die grobsten Schimpfwörter ohnbeschämt hatte sprechen können.

Wir machen uns bereit mit dem allerersten jetzt nach Suez zu reisen, wovon die Schiffe doch erst gegen die Mitte von September nach Gidda gehen. Bekir Pascha starb hier plötzlich d. 12. letzverwichenen, und man hat gesprochen dass der von Sultan abgeschikte Capidgi Pascha, der acht Tage bey ihm gewesen, ihn auf hohen Befehl den Giftbecher zu trincken vermocht. Die mehresten sagen doch dass er von Schlagfluss gestorben. Bey Sinai sind noch die Araber, wie man erzählt sehr unruhig und kriegen mit einander.

Mit der grössten Ehrerbietung bin ich zeitlebens

Ew. Hochgeb.
unterthäniger Diener
Petr. Forsskaal.