Bauer, BREV TIL: Quaade, George Joachim FRA: Bauer (1871-11-16)

Dr. Bauer til Kammerherre Quaade, Gesandt i Berlin.
Altona, 16. November 1871.
Hochzuverehrender Herr Kammerherr!

Excellenz!

Herr Hjort Lorenzen reiste heut durch Altona. Er besuchte mich, um mir uber den Erfolg der Schritte, die er in Gemeinschaft mit Herrn Kriiger gethan, 2) Bericht abzustatten. Die Abgeordneten, welche Herrn Krüger zur Stellung einer Interpellation ermuntert und ihm den von ihm acceptirten Wortlaut, den Ew. Excellenz mittlerweile in den Tagesblättern gelesen haben dürften, vorschlugen, waren der Abg.s. 66Oehmichen aus Sachsen und Graf Baudissin aus Schleswigholstein. Krüger wandte sich um Unterstutzung der Interpellation an die Führer der National-Liberalen, hauptsächlich an Herrn v. Bennigsen, und Herrn Braun (früher Braun-Wiesbaden genannt). Letzerer sagte seine Unterschrift zu, behielt sich aber vor, die Entscheidung seiner Fraction einzuholen. Herr v. Bennigsen sagte, er könne und dürfe sich nicht entscheiden, bevor er nicht die Sache in einer Fractionssitzung zur Sprache gebracht habe. Krüger bat um einen schriftlichen und motivirten Bescheid, welchen v. Bennigsen zusagte. Bald darauf erhielt er ein Schreiben von Herrn v. Bennigsen, des Inhalts, dasz eine Unterstützung der Interpellation nicht für thunlich gehalten werde. Motive fehlten. Auch den Fuhrer der Fortschrittspartei, Herrn v. Hoverbech, ersuchte Krüger um die Unterstutzung der Interpellation: dieser antwortete ihm gleichfalls, dies sey Sache der Fraction: die sodann einlaufende Antwort von Seiten und im Namen der Fraction lautete ablehnend. Von Conservativen war es Herr v. Blankenburg, den Krüger um seine Unterschrift anging. Die Bitte wurde ohne weitere Redensarten abgewiesen. Erwähnenswerth ist, dasz, sobald die Interpellation von Herrn Krüger in Umlauf gesetz ward, die Herren Oehmichen und Baudissin aus dem Reichstage verschwanden, so dasz er nicht einmal die Unterschriften der Verfasser des Aktenstückes erzielen konnte. Daher war gestern Abend, im Momente der Abreise Lorenzens die Interpellation noch ohne jegliche Unterstützung und die Hoffnung, einen Erfolg zu erringen, muszte aufgegeben werden. Gleichwohl gedachte Krüger heute noch den einen oder die zwei Polen, welche persönlich im Reichstage zugegen zu seyn pflegen, aufzufordern und überdies die Herrn Schrags und Bebel nicht vorbeizugehen. Möglich ist es, dasz er die Namen von zwei Polen und der beiden Socialdemokraten erzielt, obgleich auch dies noch nicht für sicher gelten darf, weil die Polen sich gewöhnlich hinter die Ausflucht verstecken, dasz sie in s. 67Deutsche Angelegenheiten nicht eingreifen möchten, und weil Bebel durch sichere Aeusserungen einigermassen compromittirt ist — er machte es im Frühjahr 1867 dem Bundeskanzler zum Yorwurf, dasz derselbe Luxemburg geopfert habe und Deutschland um Nordschleswig verkürzen wolle. Falls Krüger heute die geschilderten Schritte noch thun sollte, so würde dies nur den Zweck haben, die Geschichte der Interpellation zu vervollständigen. Lorenzen deutete sogar an, dasz Krüger sich möglicherweise auch an den Fürsten Reichskanzler wenden und an dessen freien Entschlusz appeliren werde, eine Sache ins Klare zu setzen, die der Reichstag selber nicht anzuregen wage. Zu guter Letzt wolle Krüger — sagt Lorenzen — ein Schreiben an den Präsidenten Simson richten, worin er unter Berufung auf die Fruchtlosigkeit seiner Interpellationsbemühungen erklären werde, dasz er diesen Reichstag nicht mehr zu besuchen gedenke. Eine ausdrückliche Mandats-Niederlegung soil dies jedoch nicht seyn.

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In Betreff der von Krüger und Ahlmann zu befolgenden Landtagspolitik steht fest, dasz sowohl die Ablehnung der Wahl Seitens der beiden Herren immer von Neuem wiederholt, als auch die Wahl der beiden durch die Wahlmänner-Collegien immer wieder stattfinden soil. Schlieszlich, heiszt es, würden die beiden Wahlmänner-Collegien eine Petition an das Abgeordnetenhaus richten, des Inhalts, dasz die Wahlmänner Nordschleswigs die Eidverweigerung billigen, dasz sie keine Anderen wählen wollen, als die Herren Krüger und Ahlmann, und dasz sie um die Feststellung einer mit den Verträgen übereinstimmenden Eidesformel bitten, welche es ihren Repräsentanten ermögliche, im Landtage zu entscheiden. Welche Quälerei! Das Eine jedoch geht aus alien diesen Dingen hervor, dasz der parlamentarische Lebensabschnitt der Nordschleswigschen Sache sich erschöpft hat. 1)

Dr. Bauer.

Quaades Papirer. U. A.

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