Wieck, Clara Josephine BREV TIL: Gade, Niels Wilhelm FRA: Wieck, Clara Josephine (1887-08-25)

Obersolberg bei Berchtesgaden, d. 25. Aug. 1887.

Lieber, verehrter Freund!

Welche Freude haben Sie mir durch ihre Zeilen und das liebe Bild gemacht ! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie freudig überrascht ich war! Ausgezeichnet ist die Photographie und mir ein werthes Andenken.

Und wie wohl haben mir Ihre Worte gethan, s. 330und dasz Sie meiner so freundschaftlich gedenken. Auch ich lebe viel in der Vergangenheit, und vor allem der herrlichen Leipziger Musikepoche, wo auch Sie dort waren. Wie anders wurde damals musicirt, da war ein schönes Concert ein Fest, und, alle die Concerte damals waren Feste! ach wie anders ist es jetzt! welch eine Demoralisation in den Künsten überhaupt! wie allein steht der Künstler, dem die Kunst etwas Heiliges ist, nur noch ein kleines Häuflein bleiben wir, das am Edlen, Schönen hängt. Wie freut mich Ihre Begeisterung für Manfried — ja, diese Musik hat etwas unendlich rührendes und bezauberndes, eine überwältigende Tiefe!

Wie traurig, dasz man in so weiter Ferne von gleichgesinnten Freunden lebt. — Da ich jetzt immer weniger reise, bleibt mir immer weniger Hoffnung die alten Freunde noch einmal zu sehen!

Leben Sie wohl, lieber verehrter Gade, und glauben Sie immer an die treue warme Ergebenheit und Freundschaft Ihrer

CLARA SCHUMANN.

Ihrer lieben Familie freundlichste Grüsze. Bleiben Sie Alle gesund und rüstig!