Weyse, Christoph Ernst Friedrich BREV TIL: Heiberg, Johan Ludvig FRA: Weyse, Christoph Ernst Friedrich (1812-10-09)

Copenhagend. 9. October 1812.

Ich fühle in mir den stärksten aller Hänge (ein nagelneuer Plural!) aufs neue die epistolarische Lanze wider dich einzulegen; Brummer und Blankensteiner haben mich bewaf-s. 20net, das Wetter ist günstig, der Himmel ist grau wie die Zeit, die treue Dame meiner Gedanken, die liebenswürdige Langeweile, ist schon seit 3 Stunden meine Gesellschafterinn, und hat mir Zeit und Raum genug gelassen mich ihr zu empfehlen: was sollte mich also wohl hindern, den ritterlichen Kampf zu beginnen? um so mehr, da ich auf den Dank verzicht leiste, und bloss des Vergnügens wegen kämpfe. Also wahret euch Hr. Ritter, dass Ihr nicht aus dem Sattel geworfen werdet! ich bin — Ha! wer ist der Verwegene, der mit lautem Geklingel mich unterbricht? — „Jeg skulde hilse fra Frue Frisch, og sige, de var kommet hjem, om De vilde have den Ære at spise —“ godt, godt! jeg skal komme. Welch ein schmutziges, schielendes Ungeheuer hat mir da die Frau Frisch auf den Hals geschickt? ich will nimmer mehr glauben, dass es der neue Bediente war, sonst liesse ich auf der Stelle absagen, vis à vis dieser Missgeburt könnte ich doch keinen Bissen geniessen. Ich habe — da klingelt es schon wieder! — „her er Balberen og skulde have Penge for de fire Blodigler, han har sat mig —“ hvad begjærer han? — „fire Rigsdaler.“ Gud bevares, den Blodsuger! — men der ere Pengene, gaae, og forstyr mig ikke tiere. — O Stand des Hausvaters, was bist du für ein schwerer Stand! Gicht, Taubheit und Augeninflamationen umgeben dich, und selbst mit Hiobs Geduld und Krösus Reichthum bist du kaum zu ertragen! Es ist — aber will denn das Geklingel heute kein Ende nehmen? — „o mein Herr Zachariæ, kommen Sie künftigen Montag wieder, heute habe ich nicht Zeit. Adieu.“ Das fehlte noch, mir von ihm den Sebastian Bach vorhakken zu lassen! dazu bin ich in der That nicht immer, und heute am wenigsten aufgelegt. Meine Kraft ist in diesen Tagen durch Leiden mancherley Art so angestrengt, dass ich ihr Zeit gönnen muss sich wieder zu erhohlen. Habe ich nicht in mehreren Tagen mit den unvernünftigen Vertheidigern, ja Lobpreisern! der Verbrennung Moskaus, auf Tod und Leben disputiert, um sie zu überzeugen, willkührliger Regierungs Despotismus sey ganz ein ander Ding als der Nationalheroismus Garthagos und Sagunts? Habe ich nicht vor zwey Abenden die weisen politischen Reden Dahlmanns anhören, und mit ihm Boston spielen müssen? Hat vorgestern Oelenschläger meine Behauptung, er sey ungesellschaftlich, nicht s. 21durch die That widerlegt, ja sogar das edle Bostonspiel zu erlernen angefangen, und ist so etwas nicht ärgerlich? Habe ich nicht gestern und vorgestern mich fast lahm getragen an den vielen Büchern, die du von mir geliehen und mir nicht wiedergebracht hast, ja hätten nicht beynahe ein paar ungeschliffene Sjouers in der store Strandstræde mich zu samt dem Goethe in den Rennstein geworfen? Habe ich nicht gestern Nacht das ganze Bombardement von 1807 im Traume noch einmal erlebt, und überhaupt seit langer Zeit schlecht und unruhig geschlafen, und bedeutet dieses alles nicht klar und deutlich, dass ich, um endlich meine Kolik (mit welcher ich sonst wohl noch am Auferstehungstage erwachen dürfte) für immer los zu werden, wohl bald genöthigt sein werde, meine 38 Jahre lang bey Tage und bey Nacht, zu Wasser und zu Lande wohlconservirte Unschuld, zusamt der Jung-gesellenfreyheit aufzuopfern, den wichtigen Tritt in den Ehestand zu thun, und mich geduldig unter sein Joch zu beugen? & & & — —

In diesem Falle hätte es mit unserm Pedrinisiren 1) für immer ein Ende, denn ein verheyratheter Mann muss sparsam seyn, auch vermeiden sich an öffentlichen Orten sehn zu lassen, um vielen unnützen Fragen nach ehelichen Verhältnissen, und besonders der gefährlichen Bekanntschaft mit neugierigen jungen Leuten, die immer gerne ihre Nase in fremder Leute Töpfe stecken wollen, zu entgehen. Doch fürchte dich nicht, noch ist der Hochzeitstag nicht bestimmt, und wenn du nicht zu lange wegbleibst, und nachher dich fein artig aufführst, können wir, bis die junge, schöne, verständige, wizige, gutmüthige, steinreiche, einzig mich liebende und mir anständige und meiner würdige Braut gefunden ist, noch manches Glas Æggepunsch zusammen geniessen. Und so sage ich dir für heute Lebewohl, hoffend, du werdest unsrer (besonders Gyllembourgs) guten Lehren und Warnungen eingedenk seyn, und beym Anblicke der schönsten Rosen, dich an die gefährlichen Dornen erinnern.

Dein G. F. Weyse.

PS. es versteht sich von selbst, dass du mich der Familie Taube empfiehlst.