Weyse, Christoph Ernst Friedrich BREV TIL: Heiberg, Johan Ludvig FRA: Weyse, Christoph Ernst Friedrich (1812-11-15)

Copenhagend. 15. Novbr. 1812.

Mein lieber Ludewig!

Gar grimmig ist der wilde Bär,
Wenn er von Honigbaum kommt her.

Gestern war der Bär 1) indessen ungemein zahm und liebens-s. 93würdig, sintemalen er sich vor mehr als 1000 Ohren mit ruhmwürdiger Geschiklichkeit auf der Violine hören liesz. Diese spielte er nicht (wie Du vielleicht der langen Klauen halber vermuthest) pizzicato, sondern ordentlich mit dem Bogen, und zwar recht ausdruksvoll und empfindsam. Das Concert war von ihm selber recht gut componirt; doch kam hin und wieder ein wenig zu viel, an die bizarre Bärennatur erinnerndes Brummen und Krazen darin vor. Da der Bär bekanntlich jüdischer Religion ist, so darf man sich nicht wundern, dass das Schauspielhaus durchaus (einen Cathedral-christen und einige simple Christen ausgenommen) mit Juden angefüllt war, und ihm (man denke!) über 12000 sage zwölftausend Rthlr. eingebracht hat. — — Endlich spielte Kuhlau ein Concert von seiner eignen Composition, welches mir überaus wohl gefiel. Weil ich mir den Eindruk desselben nicht durch das folgende ganz heterogene (wann werden wir einmal die Concerte geschmakvoller einrichten?) wollte verderben lassen, so machte ich, nachdem es beendigt war, mich sogleich von dannen; ohngeachtet mein Nachbar Wallich mich dringend bat, doch noch an dem Genusse der beyden folgenden Stüke, einem Hinterviertel (oder Schlussquartett) von ma tant Aurore, und einem à la mode de Paris farcirten Rondo Theil, zu nehmen. Kuhlau ist einer von den wenigen Künstlern, welche mit Bach, Haydn, Mozart, Gluk, Schulz und weyse, das Symbolum sich erwählt haben: trachtet am ersten nach dem Gemüth, so wird euch der Effect von selbst zufallen. Der übrige Tross hingegen (seine Zahl heiszt legio) spricht keklich: trachtet nur nach dem Effect, so braucht ihr um das Gemüth euch den Henker zu kümmern. Und so jagt denn das wütende Heer „was hast Du, was kannst Du,“ über Stok und Stein, nur immer dem Effecte nach, treibt dabey mit Trommeln und Pfeiffen, Trommeten und Posaunen einen mehr als höllischen Lärmen, und das gutherzige Gemüth, was doch vielleicht noch zuweilen ungerafen sich büken liesse, verstummt vor dem Getümmel, und wird blind in dem Staube