Weyse, Christoph Ernst Friedrich BREV TIL: Heiberg, Johan Ludvig FRA: Weyse, Christoph Ernst Friedrich (1812-11-13)

Copenhagend. 13. Novbr. 1812.

Mein lieber Ludewig!

— — — Aber so bin ich nun einmal: was ich habe, muss ich mit meinen Freunden theilen, sollte es auch nur ein griechisches Lexikon seyn. Ich wünschte von meinem musikalischen Talente auf Jemanden die Hälfte abgeben zu können; ein andrer würde es warscheinlich besser benutzen als ich. Wenn Du mir nicht bald etwas zu componiren giebst, so schliesse ich meine musikalische Butike ganz zu, und etablire mich als Spekhöker. Je länger Du mich warten lässest, je mehr werde ich in meinem Vorsaze bestärkt: denn welch Glück kann wohl grösser seyn, als das, den ganzen Tag von so herrlichen Käsen umgeben zu seyn, als der Käse, welchen wir jezt des Abends auf Butterbrod essen. Von diesem vortreflichen omnium caseorum casissimo wird auch nicht eine Rinde für Dich übrig bleiben, wenn Du später, als zu Deinem Geburtstage, Dich hier einfinden solltest.

O! mon ikke Ostens Taarer
Grumme Dig bevæge kan?

wenn Du auch hart genug seyn solltest, unseren Thränen zu widerstehen. Thränen ganz anderer Art möchte man vergiessen über die enorme Theurung hier. Das habe ich recht beim Einkaufe der Juleklapper erfahren. Das einzige wohlfeile ist das Dir bestimmte Weinachtsgeschenk: das kostet nur 2¼ rdl. Kommst Du indessen zu rechter Zeit nach Hause, und bist recht freundlich und liebreich, so soll es mir auf einen Thaler mehr nicht ankommen. Ich bin schon in diesem Augenblike nichts weniger als unvortheilhaft für Dich gestimmt. Tout au contraire Du hast einen recht grossen Stein bey mir im Brette, für die hübchen Verse, die Du Deiner Mutter geschickt hast und worin Deine Liebe zu ihr auf eine so gefühlvolle als natürliche Art sich ausspricht. Diesen Versen ist es auf keine Weise anzumerken, dass es, wie Du in Deinem vorlezten Briefe an mich behauptest, Dir schwer wird, Deine Gefühle zu äussern. Von dieser Schwierigkeit habe ich nun überhaupt keinen rechten Begriff, wenn sie nicht etwa auf ein misverstandnes Ideal männlicher Würde, und auf die Furcht, s. 95der Weichlichkeit und Schwachheit beschuldigt zu werden sich gründet. Aber davon kann ja unter wahren Freunden gar nicht die Rede seyn. Wahrhaftigkeit ist die unerläss-liche Bedingung der Freundschaft, und ich halte dafür, es sey eben so wohl unrecht seine, Gefühle zu verbergen, als Gefühle zu heucheln. Ist ein zu starkes Äussern der Gefühle Schwachheit, so ist es eine liebenswürdige Schwachheit, welche von den theilnehmenden Freunden nie anders als mit Wärme wird aufgenommen werden. Wer erst einmal damit angefangen hat, die Klugheitsregeln der Welt in der Freundschaft anzuwenden, der macht sich selbst zu einem Felsen in der Wüste, welcher dem ermüdeten Wandrer weder Schatten noch einen labenden Quel zur Erfrischung darbietet. Aber das alles kannst Du Dir selber viel besser und poetischer sagen. Ist die Geneigtheit eine Gefühle zu verbergen (wie Deine Mutter behauptet) ein schwer auszurottendes Ueberbleibsel Deiner ersten Erziehung, so verleihe der Himmel Dir Kraft seiner Meister zu werden, so wirst Du wo möglich noch steigen in der Gunst

Deines
Dich herzlich liebenden Freundes
G. E. F. Weyse.

N. S. Erinnere Dich, die Lieder für Brummer zu kaufen.